Zu Krise bei Volkswagen und ihren Ursachen

Lichter aus?

Während reihenweise Mitglieder der SPD in Niedersachsen verkünden, sie wollten gemeinsam mit dem Betriebsrat von Volkswagen und der IG Metall um jeden einzelnen VW-Standort in Deutschland kämpfen, hielt sich Kanzler Scholz zur Krise im größten Industriekonzern seines Landes zurück. Durch einen Sprecher ließ er verkünden, „er werde die Entwicklung genau verfolgen“, es sei aber Sache des Unternehmens, die Probleme zu lösen, da mische sich die Bundesregierung nicht ein.

Das hat Kabarettniveau. Die Probleme, die jetzt zu lösen sind, hat die Bundesregierung in mindestens dreifacher Hinsicht mit verursacht. Der Wirtschaftskrieg gegen Russland hat die Energiepreise, von denen alle Autofabriken in Deutschland und ihre Zulieferer in hohem Maße betroffen sind, nach oben getrieben. Der Crashkurs auf Elektroautos wurde erst von der Bundesregierung mit Kaufprämien gefördert, bis sie über Nacht fallengelassen wurden – mit der jüngst beschlossenen Ausnahme für teure Dienst-Elektroautos. Für Malocher, die auf alte Diesel und Benziner angewiesen sind, wird das Leben immer teurer. Für die akademischen Führungsschichten, denen ihre Firma einen auch privat nutzbaren E-Wagen der Luxusklasse vor das Eigenheim stellt, wird es mithilfe der Steuern des dieselfahrenden Malochers immer günstiger. Schließlich hat das für die Zeit nach 2035 verkündete Verbrennerverbot dazu geführt, dass das VW-Management die Forschung an dieser Antriebstechnik komplett gestoppt hat – während in China, hierzulande wenig beachtet, kürzlich mit großem Stolz und medialer Begleitung die Neuentwicklung eines Dieselmotors verkündet wurde, dessen Energieeffizienz um einen zweistelligen Prozentwert über der traditioneller westlicher Motoren liege. Dort spielt also nicht nur, wie hierzulande gerne verkürzend beklagt wird, die Zukunft des Elektromotors, sondern auch die Zukunft des Verbrennungsmotors, der hier hektisch und hirnlos zu einem Auslaufmodell erklärt worden ist.

Wer nach den roten Lichtern aus Duisburg, Leverkusen, Ludwigshafen und jetzt Wolfsburg noch nicht begriffen hat, dass der Crashkurs gegen Russland, China und alle Vernunft die industrielle Basis dieses Landes zerstört, dem ist nicht mehr zu helfen.

Die VW-Krise wird vor allem Niedersachsen schwer treffen. Der Oberbürgermeister von Salzgitter, Frank Klingebiel, in dessen Stadt die Batteriezellenproduktion von VW konzentriert ist, äußerte mit Blick auf die Risiken der Komplettumstellung auf Elektroantrieb: „Wenn das Ding schiefgeht, dann gehen hier die Lichter aus.“ Als Kollateralschaden würde dann auch bei der SPD in Niedersachsen – einer ihrer letzten Hochburgen, in denen sie auch den Ministerpräsidenten stellt – die Götterdämmerung beginnen.

Der Vorstandsvorsitzende von VW hat am letzten Wochenende in der „Bild am Sonntag“ verkündet, die vom Management geplanten Kostenreduzierungen würden nicht ausreichen, um die „Kernmarke“ wieder in die schwarzen Zahlen zu führen. Das richtet sich nicht nur gegen die jetzt anlaufenden Tarifverhandlungen bei VW, bei denen die IG Metall wie für die gesamte Branche die angesichts der anhaltenden Inflation eher zurückhaltende Forderung nach 7 Prozent Lohnerhöhung auf den Tisch gelegt hat. Wenn es VW gelänge, mit der Drohung von Standortschließungen und Massenentlassungen diese Forderung vom Tisch zu wischen, wäre das auch ein Modell für alle anderen energieintensiven Industriebetriebe.

Dagegen hilft nur die Verbindung des Lohnkampfes mit dem Friedenskampf, weil die Ursache des Dramas bei VW und anderswo im Konfrontationskurs gegen Russland und China liegt.

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"Lichter aus?", UZ vom 13. September 2024



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